Was gilt für Arbeitnehmer bei anstehenden Kündigungen?

(Stuttgart) Nach verschiedenen Medienberichten droht bei VW ein massiver Personalabbau. Mehrere Werke sollen schließen, zehntausende Arbeitnehmer sollen von betriebsbedingten Kündigungen bedroht sein.

Die arbeitsrechtliche Lage fasst der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VdAA) zusammen. 

Personalabbau: Entscheidung ist Sache des Unternehmens

„Die Entscheidung, Werke zu schließen, Teile der Produktion einzustellen und damit Beschäftigte zu entlassen, ist in einer Marktwirtschaft zunächst alleinige Entscheidung des Unternehmens“, erläutert Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott.

Die Anteilseigner des Unternehmens profitieren von dessen Gewinnen, ebenso wie sie mit dem Bestand des Unternehmens auch für Verluste einstehen müssen. Daher ist es Sache des Unternehmens darüber zu entschieden, wie die Unternehmensstrategie auszusehen hat, erläutert der Hamburger Arbeitsrechtler.

„Derartige Entscheidungen sind daher durch Arbeitsgerichte nur beschränkt überprüfbar und können auch durch die Politik nicht unterbunden werden,“ ergänzt der Arbeitsrechtler.

Langer Weg bis hin zum Ausspruch von Kündigungen

Bis es allerdings tatsächlich zu Kündigungen kommen wird, dürfte es ein langer Weg sein. Zunächst gelten bei VW in vielen Fällen noch Standortsicherungsverträge, die einen betriebsbedingten Personalabbau untersagen. Dem Vernehmen nach sind diese Verträge durch VW aber bereits gekündigt worden und sollen Mitte 2025 auslaufen.

Zudem dürfte sich angesichts der Größenordnung der in Rede stehenden Maßnahmen auch die Politik für den Erhalt der Arbeitsplätze einschalten. Gerade im Lichte einer anstehenden Bundestagswahl und der Beteiligung des Landes Niedersachsen an VW wird das öffentliche Interesse am uneingeschränkten Bestand einer nationalen Kernmarke natürlich sehr hoch sein, meint der Arbeitsrechtler. Zudem könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Aussagen zum Arbeitsplatzverlust auch mit Blick auf die anstehenden Tarifverhandlungen erfolgen, bei dem die Gewerkschaften hohe ein- bis zweistellige Lohnzuwächse fordern.

Interessenausgleich, Sozialplan und Abfindungszahlungen

Und selbst wenn die Bemühungen der Politik scheitern sollten: Auch nach Auslaufen der Standortsicherungsverträge wäre VW nach Einschätzung von Arbeitsrechtler Fuhlrott aber nicht frei, sofort Kündigungen auszusprechen:

Bei derartig einschneidenden Umstrukturierungen bestehen erhebliche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Dieser hat in Fällen derartiger Betriebsänderungen ein Beteiligungsrecht und kann umfassende Informationen, auch zur wirtschaftlichen Situation verlangen und prüfen. Anschließend muss der Arbeitgeber versuchen, mit dem Betriebsrat eine Einigung über die Details der Abbaumaßnahmen zu erzielen und einen sog. Interessenausgleich abzuschließen.

Daran knüpft sich die Verhandlung eines Sozialplans an, in dem für die vom Jobverlust betroffenen Arbeitnehmer Abfindungen und sonstige Fördermaßnahmen vereinbart werden. „Einigen sich Betriebsrat und Unternehmen hierbei nicht auf eine gemeinsame Vereinbarung, so können beide Seiten die Einigungsstelle anrufen, die eine Lösung auch gegen den Willen einer der beiden Parteien durchsetzen kann.

Bevor es aber so weit kommt, dürften die Betriebsparteien intensiv verhandeln und prüfen, ob andere Maßnahmen wie die punktuelle Einführung von Kurzarbeit, Gehaltsverzichte oder das Streichen von Prämienzahlungen eine Kündigungswelle verhindern können. Denkbar seien nach Arbeitsrechtler Fuhlrott auch Freiwilligenprogramme, bei denen Mitarbeiter der Abschluss eines Aufhebungsvertrags angeboten wird, um eine Kündigung zu vermeiden. Auch Regelungen zur Altersteilzeit seien stets ein denkbares Gestaltungsmittel, um einen Personalüberhang schonend ohne Kündigungen abzubauen.

Ob und wann es also später tatsächlich zu einem Personalabbau und umfangreichen Werkschließungen kommt, müsse man zunächst einmal abwarten, so Arbeitsrechtler Fuhlrott.

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Prof. Dr. Michael Fuhlrott
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