(Stuttgart) Anlässlich der allgemeinen Ferienzeit kommt es für viele Arbeitnehmer zu bekannten Situationen: Der Chef möchte während man sich schon am Flughafen befindet noch eine kleine Information erhalten oder eine Aufgabe über E-Mail oder Kurznachricht erledigt haben. Dies kommt dem durchschnittlichen Arbeitnehmer in der Regel ungelegen. Daher stellt sich die Frage: Muss der Arbeitnehmer ständig erreichbar sein?
Was zu beachten ist, erläutert der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel, Leiter des Fachausschusses „Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung“ des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart.
- Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich ein Recht auf Nichterreichbarkeit
Grundsätzlich kommt es bei der Erreichbarkeit darauf an, was im Arbeitsvertrag geregelt ist. Sind im Arbeitsvertrag bestimmte Arbeitszeiten vereinbart, so muss der Arbeitnehmer im Grundsatz auch nur dann erreichbar sein. Das heißt für den Arbeitnehmer, dass er in seiner Freizeit – also auch während seines Urlaubs – nicht verpflichtet ist erreichbar zu sein, es sei denn, etwas anderes ist vertraglich – und in zulässiger Weise – vereinbart. So entschied auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein und bezeichnete das Recht auf Nichterreichbarkeit als eines der vornehmsten Persönlichkeitsrechte (LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 27.9.2022 – 1 Sa 39 öD/22).
- Auch Führungskräfte sind Arbeitnehmer
Auch Führungskräfte sind nach deutschem Recht Arbeitnehmer. Auch für sie gilt, dass sie im Grundsatz nur während ihrer Dienstzeit erreichbar sein müssen. In der Regel erfüllen Führungskräfte auch in ihrer Freizeit – dann aber freiwillig – dienstliche Aufgaben.
- Konsequenzen bei Nichterreichbarkeit des Arbeitnehmers
Wenn es keine Pflicht zur dauerhaften Erreichbarkeit des Arbeitnehmers gibt, dann kann die Nichterreichbarkeit in der Freizeit auch keine Pflichtverletzung sein. Dementsprechend haben Arbeitnehmer im Grundsatz auch keine – ordentliche oder außerordentliche – Kündigung zu befürchten.
Etwas anderes gilt dann, wenn eine Erreichbarkeit im Arbeitsvertrag verankert ist. In dem Fall kommt es in der Regel aber auch nicht sofort zu einer verhaltensbedingten Kündigung. Denn diese wäre im Grundsatz ohne vorherige Abmahnung unwirksam.
- Der europäische Gesetzgeber wird aktiv
Bereits am 21. Januar 2021 beschloss das europäische Parlament einen legislativen Initiativbericht und forderte die Kommission auf eine entsprechende Richtlinie, die ein Recht auf Nichterreichbarkeit beinhaltet, auf den Weg zu bringen. Dabei hatten die Abgeordneten vor allem den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer im Blick, die durch ständige Erreichbarkeit unter Druck geraten. Eine entsprechende Richtlinie müsste allerdings noch verabschiedet und von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.
Görzel empfahl, dies zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA-Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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