(Stuttgart) Ein Arbeitnehmer führt eine Arbeitsunfähigkeit nicht schuldhaft im Sinne von § 3 EFZG herbei, wenn er als Hundebesitzer in eine Hunderauferei eingreift, um seinen Hund aus einer Notlage zu befreien, und hierbei Bissverletzungen erleidet, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führen.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf das am 19.02.2010 veröffentlichte Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Freiburg vom 13.01.2010, Az.:  2 Ca 215/09.

In dem Fall arbeitet der Kläger seit 2007 für die Beklagte als Fahrer mit einer Bruttomonatsvergütung von 1.400,00 EUR. Am 19.06.2009 besuchte dieser in seiner Freizeit ein Vereinsfest. Begleitet wurde der Kläger dabei von seinem Hund „Barry“, einer 8 Jahre alten Bernersennenmischung. Noch bevor das Fest begann, wurde der Hund des Klägers unvermittelt von einer freilaufenden Dogge angegriffen. Die Dogge verbiss sich in den Hund des Klägers und hielt diesen schließlich hängend in ihrem Maul. In dieser Situation griff der Kläger ein und befreite seinen Hund. Dabei biss die Dogge den Kläger in die linke Hand und verletzte ihn. Der Kläger ließ zunächst die Wunden seines Hundes tierärztlich versorgen. Anschließend begab er sich selbst in ärztliche Behandlung. Der behandelnde Arzt bescheinigte ihm für den Zeitraum vom 19.06.2009 – 18.07.2009 Arbeitsunfähigkeit.

Der Kläger erhielt für den Monat Juli 2009 eine Nettovergütung von 368,22 EUR. Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 01. bis 18.07.2009 leistete seine Arbeitgeberin, die Beklagte, nicht. Stattdessen erhielt der Kläger von seiner Krankenkasse 476,46 EUR Krankengeld für diesen Zeitraum. Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, der Kläger habe die Bissverletzung durch die Dogge selbst verschuldet. Im Wissen um die Gefährlichkeit einer Dogge habe er versucht seinen Hund aus dem Maul der Dogge zu befreien. Somit habe der Kläger seine Verletzung selbst verschuldet. Der Kläger war hingegen der Ansicht, dass die durch den Hundebiss herrührende Arbeitsunfähigkeit nicht auf sein Verschulden zurückzuführen sei.

So sah es nun auch das Arbeitsgericht Freiburg, betont Henn, und verurteilte Arbeitgeberin zur Nachzahlung der ausstehenden Bezüge.

Den Kläger treffe hier an seiner Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Schuldhaft im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG handele ein Arbeitnehmer dann, der gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoße.

Im vorliegenden Fall sei unstreitig, dass eine Dogge den Hund des Klägers angriffen habe. Weiter sei unstreitig, dass im weiteren Fortgang der Rauferei die angreifende Dogge den Hund des Klägers im Nackenbereich biss und diesen hängend im Maul hielt, weshalb sich der Kläger zum Eingreifen entschloss. Somit befand sich der Kläger in einer Notlage: greift er in die Rauferei ein, riskiert er, selbst gebissen zu werden. Greift er nicht, müsste er eine weitere Verletzungen seines Hundes, und damit seines Sacheigentums (§ 90a BGB), sehenden Auges hinnehmen. Somit hat sich der Kläger gerade nicht „ohne Not“, sondern vielmehr wegen der bestehenden, aber von ihm nicht verschuldeten, Notlage der Gefahr ausgesetzt, die sich durch den Hundebiss auch realisiert habe. 

In Fällen, in denen in der Rechtsprechung ein Verschulden im Sinne von § 3 EFZG angenommen wurde, war eine andere mögliche Handlungsalternative klar erkennbar: 

  • Wer z. B. eine Schlägerei provoziert, anstatt sich friedlich zu verhalten, handelt schuldhaft (vgl. etwa LAG Hamm, 24.09.2003, 18 Sa 785/03, NZA-RR 2004, 68).
  • Streichelt ein Arbeitnehmer z. B. einen Hund, obwohl er vom Hundehalter davor gewarnt und auf die Bissigkeit des Hundes hingewiesen worden war, handelt schuldhaft im Sinne von § 3 EFZG (vgl. ArbG Wetzlar, Urteil vom 04.04.1995, 1 Ca 589/94, JURIS). 

In beiden geschilderten Fällen lag jeweils eine vernünftige und zumutbare Handlungsalternative offen zu Tage, die nicht zum Schaden geführt hätte. 

Hingegen könne im vorliegenden Falle dem Kläger keine vernünftige und zumutbare Handlungsalternative aufgezeigt werden: aufgrund der gegenwärtigen Notsituation war weder das Abwarten noch das zu Hilfe holen Dritter dienlich oder zumutbar. Wer in einer derartigen Notlage versuche, schlimmere Beschädigungen seines Eigentums abzuwehren, handele nicht gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten. 

Henn empfahl, diese Grundsätze zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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