(Stuttgart) Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist eine außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung unwirksam, wenn der Arbeitgeber nach substantiiertem Vortrag des Arbeitnehmers anderen Arbeitnehmern wegen gleichartiger Pflichtverletzung (Missbrauch Payback-Punkte) nicht gekündigt hat und Gründe für eine differenzierende Behandlung nicht ersichtlich und vorgetragen sind. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht unzumutbar ist.

Darauf verweist der Frankfurter Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Krebühl, Landesregionalleiter „Hessen“ des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf das am 04.02.2009 veröffentlichte Urteil des LAG Hessen – – 6 Sa 384/08 -. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

In einem großen Einzelhandelsunternehmen warf der Arbeitgeber Mitarbeitern den Missbrauch eines Payback-Sondercoupons über 500 Payback-Punkte (entspricht einem Wert von € 5,00) vor. Im Rahmen des Verkaufs von Konzertkarten war der Konzertkarte ein Payback-Coupon im Wert von 500 Punkten angehängt. Dieser Coupon konnte bis zu einem Stichtag bei allen Payback-Partnerunternehmen (auch dem des Arbeitgebers) bei einem Einkauf eingelöst werden. Mit der Payback-Karte erhalten Kunden je nach getätigtem Umsatz Rabattpunkte, die gegen Warenprämien, Gutscheine oder in Bargeld eingetauscht werden können. Zusätzlich zur allgemeinen Form der Gutschrift von Rabattpunkten gibt es im Rahmen spezieller Kundenbindungs- und Marketingaktivitäten sog. Payback-Sondercoupons, die eine Multiplikation der normalen Rabattpunkte vorsehen bzw. höhere Punktsätze beinhalten. Solche Sondercoupons werden zum einen den Payback-Karteninhabern im Rahmen von Mailing-Aktionen zugesandt bzw. werden verbunden mit dem Kauf bestimmter Artikel bzw. Dienstleistungen den Kunden überlassen.

Sämtliche Coupons im Zusammenhang mit dem Paypack-System sind jeweils nur einmalig verwendbar. Der Payback-Coupon der Konzertkarte enthielt allerdings – anders als bei manch anderem Payback-Sondercoupon – selbst nicht den Hinweis auf die nur einmalige Verwendbarkeit. Auf dem Sondercoupon aufgedruckt war lediglich der Hinweis auf den Gültigkeitszeitraum. Die Mehrfacheinlösung des Sondercoupons war technisch nicht ausgeschlossen und die Übertragung der Payback-Sondercoupons grundsätzlich erlaubt. Die Betreiberin des Rabattsystems hatte die Möglichkeit zur Einlösung von Coupons aus der Konzertaktion allerdings pro Payback-Karte auf 6-mal begrenzt.

Mitarbeiter der Revisionsabteilung stellten in der Folge fest, dass eine Reihe von Arbeitnehmern eines Marktes des Arbeitgebers auf ihrer Payback-Karte bzw. der Payback-Karte von Familienangehörigen die Gutschrift von 500 Payback-Punkten aus dem Sondercoupon der Konzertkarte von zwischen 3 bis 50-mal aufwiesen.

Der Arbeitgeber sprach nach Anhörung der Mitarbeiter eine außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung aus, woraufhin die gekündigten Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhoben. Sie wiesen darauf hin, dass entgegen einer schriftlichen Organisationsanweisung durch die Teamleiterin und den Marktleiter widersprüchliche Hinweise im Zusammenhang mit der Einlösung des Coupons der Konzertkarte gegeben worden seien. Außerdem habe der Arbeitgeber in anderen namentlich benannten Fällen von 11 weiteren Mitarbeitern, u.a. auch der Teamleiterin und der stellvertretende Marktleiterin, trotz ebenfalls festgestellter mehrmaliger Einlösung des Sondercoupons über 500 Payback-Punkte keine Kündigung ausgesprochen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Berufung des Arbeitgebers blieb ohne Erfolg, so Krebühl. Zwar folgte das Berufungsgericht der Auffassung des Arbeitgebers, dass eine strafbare Handlung des Arbeitnehmers im Betrieb, die zum Nachteil des Arbeitgebers wirke, eine Kündigung rechtfertigen kann und das eine solche Handlung in der unberechtigten Gutschrift von Payback-Punkten gesehen werden könne. Allerdings war die Kündigung wegen Verstoßes gegen den ultima-ratio-Grundsatzes unwirksam und hätte den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung erforderlich gemacht.

Zum einen habe der Arbeitgeber nicht klar und widerspruchsfrei belegen können, dass die Kassiererinnen zur Vernichtung des Sondercoupons nach der erstmaligen Einlösung aufgefordert worden seien. Ein weiterer Gesichtspunkt für die Erforderlichkeit einer vorherigen Abmahnung sei gewesen, dass der Arbeitgeber selbst zu erkennen gegeben habe, die unterstellte Pflichtverletzung der gekündigten Mitarbeiter sei nicht so schwerwiegend, dass das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden könne. Die Arbeitnehmerseite habe – ohne dass der Arbeitgeber dem substantiiert entgegengetreten wäre – unter namentlicher Nennung von anderen Mitarbeitern vorgetragen, dass auch in anderen Fällen eine Mehrfachverwendung des Sondercoupons nicht zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses geführt habe.

Zwar sei der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Beurteilung einer Kündigung nicht unmittelbar anzuwenden, weil er mit dem Gebot der umfassenden Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls – wie er für eine Kündigung erforderlich ist – nur beschränkt zu vereinbaren sei. Jedoch könne der Gleichbehandlungsgrundsatz mittelbare Wirkungen erzielen. Er schließe eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht aus, sondern sei als ein maßgeblicher Gesichtspunkt in die Abwägung einzubeziehen. Werden mehrere Kündigungen wegen eines gleichartigen Kündigungsgrundes ausgesprochen, hänge es von den bei jeder Kündigung zu  berücksichtigenden Besonderheiten ab, ob die Kündigung aller Arbeitnehmer gerechtfertigt sei. Bei gleicher Ausgangslage müsse der Arbeitgeber, der nach einer selbst gesetzten Regel verfahre, darlegen, weshalb er in einem Fall hiervon abweiche.

So dürfe er nicht ohne sachliche Differenzierungsgründe bei einem von mehreren Arbeitnehmern gemeinsam begangenen Prämienbetrug nur zwei Arbeitnehmern kündigen und es bei dem anderen, ebenso belasteten Arbeitnehmer bei einer Verwarnung belassen. Im Ergebnis müsse er die Gründe darlegen, die eine differenzierende Behandlung mehrerer Arbeitnehmer im Lichte des Kündigungsschutzes sachlich rechtfertigten, woran es im Streitfall fehlte.

Krebühl empfahl, dieses Urteil  zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.   

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Peter Krebühl  
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