(Stuttgart) Nach einer am 23.12.2008 veröffentlichten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hessen hat der Betriebsrat bei einer  außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers Anspruch auf eine genaue und umfassende Information, die sich auch auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Kündigungstatsachen erstrecken muss. (LAG Hessen 20 TaBV 244/07)

 In dem ausgeurteilten Fall, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, hat das Gericht einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zurückgewiesen, weil der Arbeitgeber den Betriebsrat im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens nicht ausreichend unterrichtet hatte. Hintergrund der gerichtlichen Auseinandersetzung in einem Gebäudereinigungsunternehmen war die Absicht des Arbeitgebers, einem Betriebsratsmitglied kündigen zu wollen, weil ihm sexuelle Belästigung und Nötigung einer ehemaligen Kollegin vorgeworfen wurde. Die Mitarbeiterin hatte sich in einem Schreiben an den Arbeitgeber gewandt und ihn informiert, dass das Betriebsratsmitglied, welches sie eingestellt habe, sie seit dem Beginn ihrer Beschäftigung sexuell belästige. Er fordere eine Gegenleistung für ihre Einstellung, habe auf der Arbeitsstelle wiederholt versucht, sie anzufassen und habe ihr mehrfach erklärt, nur wenn sie sich auf sexuelle Kontakte mit ihm einlasse, schließe er mit ihr einen Festvertrag. Nachdem der Arbeitgeber mit der Mitarbeiterin persönliche Gespräche geführt hatte, in deren Verlauf diese die Vorwürfe aufrecht erhielt und eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, beantragte der Arbeitgeber bei dem Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitgliedes, die der Betriebsrat mit der Begründung verweigerte, dass er vom Arbeitgeber innerhalb der gesetzlichen Zweiwochenfrist nicht über die näheren Kündigungsumstände informiert worden sei.

Dieser Auffassung, so Henn, teilte nun auch das LAG. Durch das Verschweigen der weiteren Umstände wie die das Vorliegen des Schreibens der Belästigten beim Arbeitgeber und der bestehenden Eidesstattlichen Versicherung habe dieser seine Unterrichtungspflichten gemäß § 103 BetrVG nicht vollständig erfüllt, denn er habe den Betriebsrat nicht in einer Weise unterrichtet, die diesem ermöglicht hätte, ohne eigene Nachforschungen die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu überprüfen.  Bei nicht ausreichender Unterrichtung sei das Zustimmungsverfahren jedoch nicht wirksam eingeleitet. In dem zu entscheidenden Fall habe der Arbeitgeber weder in dem Schreiben mit der Bitte um Zustimmungserteilung noch im Rahmen einer mündlichen Unterrichtung mitgeteilt, wann er in einer den Lauf der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB bewirkenden Weise Kenntnis von den Vorwürfen der Mitarbeiterin gegenüber dem Betriebsratsmitglied erlangt habe. Der hier vorgenommene Versuch, den Betriebsrat durch eine erneute Unterrichtung zu einem späteren Zeitpunkt umfassend zu informieren, führe nicht zu einer Heilung des Zustimmungsverfahrens. Auch wenn das Nachschieben der zur Berechnung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erforderlichen Informationen im Rahmen des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens unter den gleichen Voraussetzungen zuzulassen sei wie das Nachschieben von Kündigungsgründen, müsse der Arbeitgeber – jedenfalls noch bevor er die für den Betriebsrat neue Information in das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einführe – bei diesem einen erneuten Antrag auf Zustimmungserteilung gestellt oder ihm jedenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt haben. Dies sei in dem zu entscheidenden Verfahren nicht erfolgt

Henn mahnte daher alle Arbeitgeber, diese Rechtsprechung bei ihren außerordentlichen Kündigungen zu beachten, während er Arbeitnehmer dazu ermunterte, bei Zweifeln an dem ordnungsgemäßen Zustandekommen einer Kündigung ebenfalls Rechtsrat einzuholen und verwies bei aufkommenden Rechtsfragen dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de    

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