Darauf verweist der Frankfurter Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Norbert Pflüger, Vizepräsident des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf das am 07.12.2009 veröffentlichte Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) vom 1. April 2009, Az.: 6 Sa 1593/08.
Bei einem über 50 Jahre alten Mitarbeiter eines Metallunternehmens, der seit 20 Jahren als Schweißer beschäftigt und mehreren Kindern zum Unterhalt verpflichtet war, stieg der Krankenstand innerhalb der Kündigungsfrist deutlich an, nachdem der Arbeitgeber ihm gegenüber eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen hatte. Der Arbeitgeber entschloss sich daraufhin, einen Detektiv zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeiten einzuschalten. Im Rahmen seiner Ermittlungen rief der Detektiv unter einem Vorwand bei dem krank geschriebenen Mitarbeiter an und äußerte, jemanden für Innenausbautätigkeiten zu benötigen und zwar zum Wände einreißen, Mauern und für Malerarbeiten. Der Mitarbeiter habe – so die Behauptung des Arbeitgebers – dem Detektiv mitgeteilt, dass er Mauern könne und auch mit Malerarbeiten kein Problem habe und gefragt, was man ihm denn zahlen würde und erklärt, er könne sofort anfangen.
Auf die Frage des Detektivs, warum er sofort anfangen könne, ob er denn arbeitslos sei, habe er erklärt, dass er zurzeit krank sei und sofort für diese Arbeiten zur Verfügung stehe. Ohne darum gebeten worden zu sein, habe er dem Detektiv seine private Handynummer gegeben und ihm erklärt, wenn er niemanden bekäme, dann solle er unbedingt beim ihm zurückrufen. Der Mitarbeiter wandte hingegen ein, er habe den Detektiv in dem Gespräch lediglich darauf hingewiesen, dass er ihm nicht helfen könne, da er seit über 20 Jahren im Metallbau tätig wäre und daher die geforderten Arbeiten für ihn fremd wären. Er habe dem Detektiv jedoch erklärt, er könne seinen Bruder bzw. andere Kollegen fragen, ob diese solche Arbeiten ausführen würden, und ihm aus diesem Grund auch seine Handynummer gegeben. Der Arbeitgeber kündigte im Hinblick auf die von ihm behaupteten Einlassungen des krank geschriebenen Mitarbeiters das Arbeitsverhältnis fristlos mit dem Vorwurf der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage, der das Arbeitsgericht stattgegeben hat.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Arbeitgebers hatte Erfolg, so betont Pflüger.
Nachdem das Berufungsgericht den Detektiv als Zeugen gehört hat, wies es die Kündigungsschutzklage ab. Als Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der gekündigte Mitarbeiter dem Detektiv seine Arbeitsleistung für schwere körperliche Arbeiten im Innenausbau angeboten habe. Damit habe er seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht und dieser Umstand könne auch dann – ohne vorherige Abmahnung – eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer mit dem Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit sich keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber erschlichen habe (weil wie vorliegend der 6-wöchige Entgeltfortzahlungszeitraum des § 3 EFZG bereits abgelaufen war), sondern „nur“ dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung vorenthalten habe. Auch erschüttere schon die angekündigte Arbeitsbereitschaft während einer Arbeitsunfähigkeit und nicht erst das tatsächliche Durchführen von Arbeiten den Beweiswert eines Arbeitsunfähigkeitsattestes.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit und damit das Vorenthalten der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung eine erhebliche, schuldhafte Vertragspflichtverletzung darstellen, die eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigt. Der Arbeitnehmer verletzte mit diesem Verhalten nämlich nicht nur die von ihm geschuldete Hauptleistungspflicht, sondern auch die für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauensbasis zwischen den Parteien, indem er den Arbeitgeber täusche. Es sei auch für jeden Arbeitnehmer ohne weiteres ersichtlich, dass der Arbeitgeber die Vorenthaltung der geschuldeten Arbeitsleistung aufgrund des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit als eine so schwerwiegende Vertragsverletzung ansehe, dass er ohne vorherige Abmahnung das Arbeitsverhältnis kündigen werde. Das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit stelle ein unredliches Verhalten des Arbeitnehmers dar, das unabhängig davon, ob die Arbeitsunfähigkeit zu einer Belastung des Arbeitgebers mit Entgeltfortzahlungskosten führt oder nicht, die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zerstöre.
Auch die Interessenabwägung rechtfertige nach Auffassung des Berufungsgerichts keine andere Bewertung. Dies gelte ungeachtet der langen Dauer des Arbeitsverhältnisses und der bestehenden Unterhaltspflichten des Mitarbeiters. Die betrieblichen Interessen an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses überwiegten. Der Arbeitgeber habe nämlich insoweit auch zu berücksichtigen, wie sich das Verhalten auf das der übrigen Arbeitnehmer auswirke, wenn er von einer Kündigung absehe. Insoweit handele es sich noch um Folgen des Fehlverhaltens, für das der Arbeitnehmer einzustehen habe. Schon ein einmaliger Fall einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit, auch wenn der Arbeitnehmer damit keine Entgeltfortzahlungskosten erschleiche, könne deshalb eine Kündigung rechtfertigen, auch wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage sei, zu der Frage der Wiederholungsgefahr weitere Umstände vorzutragen. Ein anderes Ergebnis der Interessenabwägung könne auch nicht mit dem Hinweis auf die dem Mitarbeiter entgangene Sozialplanabfindung begründet werden.
Pflüger empfahl, das Urteil zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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