(Stuttgart) Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten zur Aufdeckung von Straftaten gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG setzt lediglich einen „einfachen“ Verdacht im Sinne eines Anfangsverdachts voraus, der über vage Anhaltspunkte und bloße Mutmaßungen hinausreichen muss.
Liegt diese Voraussetzung vor, können Aufnahmen aus einer verdeckten Videoüberwachung auch dann verwertbar sein, wenn der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates missachtet hat, so der der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter „Bremen“ des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V., unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in vom 20. Oktober 2016 (Az.: 2 AZR 395/15).
Der Kläger war bei einem Kfz-Vertragshändler angestellt. Nachdem bei Inventuren im November 2013 und Februar 2014 erhebliche Fehlbestände festgestellt wurden, machte der Arbeitgeber diese Differenzen betriebsöffentlich und untersagte, mit Ausnahme der zwei Lageristen, allen Beschäftigten den Zutritt zum Lager und verbot ihnen, Teile aus den Regalen zu nehmen. Nachdem die Fehlbestände nicht aufgeklärt werden konnten, installierte der Arbeitgeber eine Videokamera, mittels derer die Vorgänge im Ersatzteillager aufgezeichnet wurden. Von dieser Maßnahme hatten nur die beiden Lageristen und der vor Ort eingesetzte Betriebsleiter Kenntnis. Der Betriebsrat wurde nicht beteiligt.
Eine im August 2014 ausgewertete Aufzeichnung zeigt, wie der Kläger das Lager betrat, aus einem Regal ein Paket Bremsklötze entnahm und es sodann in seiner Hosentasche verstaute. In einem Personalgespräch gab der Kläger an, dass er sich diesen Vorgang nicht erklären könne. „Natürlich“ wolle er „wegen eines solchen Teils“ nicht seinen Arbeitsplatz „riskieren“. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.
Der Kläger hielt die Kündigung für unwirksam. Die Videoüberwachung habe sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Video dürfe nicht als Beweismittel verwertet werden. Es gebe zudem keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Bremsklötze aus dem Betrieb entfernt habe. Es könne genauso gut sein, dass eine dienstliche Verwendung der Bremsklötze fälschlich nicht dokumentiert worden sei. Unabhängig davon habe der Arbeitgeber die Videoaufzeichnungen unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats erlangt. Beides führe dazu, dass die Mitschnitte als Beweismittel und das hierauf gestützte Vorbringen der Beklagten prozessual nicht verwertbar seien.
Das Landesarbeitsgericht Köln hatte der Kündigungsschutzklage noch stattgegeben. Das BAG hob diese Entscheidung auf.
Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind nach der ständigen Rechtsprechung des BAG dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. Dabei müsse sich der Verdacht auf eine konkrete strafbare Handlung oder „eine andere schwere Verfehlung“ zu Lasten des Arbeitgebers richten. Dieser dürfe sich aber nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er müsse sich allerdings auch nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten.
Entgegen der Vorinstanz hielt das BAG es für nicht ausgeschlossen, dass diese Voraussetzungen vorlagen.
Denn die beiden direkt betroffenen Lagermitarbeiter hätten der Videoüberwachung zugestimmt. Auch sei das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht verletzt worden. Denn dieser habe sich trotz Verbots in dem Ersatzteillager aufgehalten. In solch einem Fall sehe das Bundesdatenschutzgesetz die Verwertung der Videoaufnahmen als Beweismittel vor.
Dem stünde auch nicht die fehlende Zustimmung des Betriebsrates entgegen. Das BAG hat insoweit bereits in seiner Entscheidung vom 22. September 2016 (2 AZR 848/15) ausgeführt, dass die Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nicht zu einem Verwertungsverbot führt, wenn eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist.
Danach führt die Verletzung einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beteiligung des Betriebsrates nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot.
Franzen empfahl, dies zu beachten und riet er bei Fragen zum Arbeitsrecht Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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