(Stuttgart) Das Bundesarbeitsgericht hat soeben zwei Entscheidungen zur Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen – Sozialkassenverfahren des Baugewerbes (AVE VTV 2012 und (AVE VTV 2013) gefällt.
Darauf verweist der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Frhr. Fenimore von Bredow, Vizepräsident des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25.01.2017 seinen Beschlüssen vom selben Tage, Az. 10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15.
Dabei hat das Bundesarbeitsgericht folgende Entscheidungen gefällt:
- Die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 21. Dezember 2011 ist mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 5 TVG aF unwirksam. Zwar hat sich der zuständige Staatssekretär mit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) befasst, jedoch war die nach damaligem Rechtsstand erforderliche 50%-Quote nicht erreicht.
- Die Allgemeinverbindlicherklärungen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 29. Mai 2013 und 25. Oktober 2013 sind mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 5 TVG aF unwirksam. Die nach damaligem Rechtsstand erforderliche 50%-Quote war nicht erreicht. Überdies war die seinerzeit zuständige Ministerin für Arbeit und Soziales nicht mit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom 25. Oktober 2013 befasst.
- Zu 1.)
Auf Antrag der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 3. Mai 2012 den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 18. Dezember 2009 idF des Änderungstarifvertrags vom 21. Dezember 2011 gemäß § 5 TVG in der damals geltenden Fassung mit bereits im Antrag enthaltenen Einschränkungen bezüglich des betrieblichen Geltungsbereichs („Große Einschränkungsklausel“) für allgemeinverbindlich erklärt (AVE VTV 2012).
Der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag regelt das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes (Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt – IG BAU -, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. – HDB – und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. – ZDB -). Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes zusätzliche Altersversorgungsleistungen, die jeweils in gesonderten Tarifverträgen näher geregelt sind. Zur Finanzierung dieser Leistungen werden nach Maßgabe des VTV Beiträge von den Arbeitgebern erhoben. Durch die AVE gelten die Tarifverträge nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber der Branche. Sie sind hiernach zur Beitragszahlung verpflichtet. Sowohl die Arbeitgeber als auch ihre Beschäftigten erhalten Leistungen von den Sozialkassen.
Bei den Antragstellern handelt es sich überwiegend um Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und deshalb nur auf Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärung zu Beitragszahlungen herangezogen wurden. Sie haben die Auffassung vertreten, die gesetzlichen Voraussetzungen für die AVE hätten nicht vorgelegen. Insbesondere hätten die tarifgebundenen Arbeitgeber der Baubranche nicht 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigt (50%-Quote). Auch habe kein öffentliches Interesse für die Allgemeinverbindlicherklärung vorgelegen. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen und festgestellt, dass die angegriffene Allgemeinverbindlicherklärung wirksam ist.
Die vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden hatten vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Allgemeinverbindlicherklärung vom 3. Mai 2012 des VTV ist unwirksam. Der Senat hat unter Bezugnahme auf die ausführlich begründete Leitentscheidung vom 21. September 2016 – 10 ABR 33/15 – (dazu Pressemitteilung 50/16) betont, dass es keine tragfähige Grundlage für die Annahme des BMAS gibt, wonach zum Zeitpunkt des Erlasses der AVE in der Baubranche mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren. Allerdings ergibt sich die Unwirksamkeit nicht zusätzlich aus einem Verstoß gegen das in Art. 20 GG verankerte Demokratieprinzip. Aufgrund eines zunächst erhobenen Einspruchs des Freistaats Sachsen nach § 5 Abs. 3 TVG hat sich der zuständige Staatssekretär im BMAS zustimmend mit der AVE VTV 2012 befasst.
Die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE VTV 2012 wirkt gemäß § 98 Abs. 4 ArbGG für und gegen jedermann. Sie hat zur Folge, dass im maßgeblichen Zeitraum nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes bestand. Andere Arbeitgeber der Baubranche sind nicht aufgrund der AVE verpflichtet, für das Jahr 2012 Beiträge zu leisten.
- Zu 2.)
Auf Antrag der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 29. Mai 2013 den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 18. Dezember 2009 idF des Änderungstarifvertrags vom 17. Dezember 2012 gemäß § 5 TVG in der damals geltenden Fassung mit bereits im Antrag enthaltenen Einschränkungen bezüglich des betrieblichen Geltungsbereichs („Große Einschränkungsklausel“) für allgemeinverbindlich erklärt (AVE VTV 2013 I). Am 25. Oktober 2013 erfolgte die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV vom 3. Mai 2013 (AVE VTV 2013 II). Der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag regelt das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes (Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt – IG BAU -, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. – HDB – und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. – ZDB -). Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes zusätzliche Altersversorgungsleistungen, die jeweils in gesonderten Tarifverträgen näher geregelt sind. Zur Finanzierung dieser Leistungen werden nach Maßgabe des VTV Beiträge von den Arbeitgebern erhoben. Durch die AVE gelten die Tarifverträge nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber der Branche. Sie sind hiernach zur Beitragszahlung verpflichtet. Sowohl die Arbeitgeber als auch ihre Beschäftigten erhalten Leistungen von den Sozialkassen.
Bei den Antragstellern handelt es sich überwiegend um Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und deshalb nur auf Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärungen zu Beitragszahlungen herangezogen wurden. Sie haben die Auffassung vertreten, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärungen hätten nicht vorgelegen. Insbesondere hätten die tarifgebundenen Arbeitgeber der Baubranche nicht 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigt (50%-Quote). Auch habe kein öffentliches Interesse für die Allgemeinverbindlicherklärungen vorgelegen. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen und festgestellt, dass die angegriffenen Allgemeinverbindlicherklärungen wirksam sind.
Die vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden hatten vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 29. Mai 2013 und 25. Oktober 2013 des VTV sind unwirksam. Der Senat hat unter Bezugnahme auf die ausführlich begründete Leitentscheidung vom 21. September 2016 – 10 ABR 33/15 – (dazu Pressemitteilung 50/16) betont, dass es keine tragfähige Grundlage für die Annahme des BMAS gibt, wonach zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverbindlicherklärungen in der Baubranche mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren. Die AVE VTV 2013 II ist überdies unwirksam, weil die damals zuständige Ministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, nicht mit dem Normsetzungsakt befasst war. Darin liegt ein Verstoß gegen das in Art. 20 GG verankerte Demokratieprinzip.
Die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE VTV 2013 I und II wirkt gemäß § 98 Abs. 4 ArbGG für und gegen jedermann. Sie hat zur Folge, dass im maßgeblichen Zeitraum nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes bestand. Andere Arbeitgeber der Baubranche sind nicht aufgrund der AVE verpflichtet, für das Jahr 2013 Beiträge zu leisten.
Von Bredow empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Arbeitsrecht Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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Frhr. Fenimore von Bredow
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