(Stuttgart) Sieht eine Versorgungsordnung bei der Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der üblichen, „festen Altersgrenze“ Abschläge vor, liegt darin keine unerlaubte Benachteiligung wegen einer Behinderung.
Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.10.2016 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az. 3 AZR 439/15.
Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er bezieht seit der Vollendung seines 60. Lebensjahres eine gesetzliche Altersrente für Schwerbehinderte und eine Betriebsrente. In der Vergangenheit war bei der Beklagten der ungekürzte Bezug der Betriebsrente möglich, wenn der Arbeitnehmer eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt. Auch nach einer Änderung der Versorgungsordnung besteht ein Anspruch auf Betriebsrente, wenn eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird. Jedoch wurde als feste Altersgrenze einheitlich die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt und gleichzeitig bestimmt, dass für eine vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,4 % pro Monat vorzunehmen ist, soweit die Anwartschaft auf Beschäftigungszeiten nach dem 1. Januar 1996 beruht. Dementsprechend kürzte die Beklagte die Betriebsrente.
Darin liegt keine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende Benachteiligung wegen einer Behinderung. Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG scheidet aus, weil die Abschläge nicht an die Behinderteneigenschaft anknüpfen. Auch andere Arbeitnehmer können früher in Rente gehen. Ebenso scheidet eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG aus. Liegen die Voraussetzungen eines frühen Renteneintritts auch bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern vor, müssen diese ebenfalls Abschläge hinnehmen. Soweit allein schwerbehinderte Menschen die gesetzliche und damit die Betriebsrente früher beanspruchen können, werden sie nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt. Denn es kann keine anderen Arbeitnehmer geben, die zum selben Zeitpunkt eine Betriebsrente beziehen.
Das klageabweisende Urteil der Vorinstanz war dennoch aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zu prüfen haben, ob für die Änderung der Versorgungsordnung sachlich-proportionale Gründe vorlagen und damit die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind.
Henn empfahl, die Entscheidung zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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