(Stuttgart)   Schließen tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien während der Laufzeit eines Tarifvertrages einen Änderungsvertrag, der mit sofortiger Wirkung untertarifliche Arbeitsbedingungen festlegt, wird diese Vereinbarung durch die unmittelbar und zwingend wirkende Tarifnorm verdrängt, § 4 Abs. 1 und Abs. 3 TVG.

Sie ist grundsätzlich auch nicht als andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG für den Fall zu verstehen, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 01. Juli 2009, Az.: 4 AZR 250/08, dass die zwingende Wirkung des geltenden Tarifvertrages später entfallen sollte (etwa wegen eines späteren Verbandsaustritts und wiederum später nachfolgendem Ende des Tarifvertrages iSv. § 3 Abs. 3 TVG) und die Nachwirkung eintritt. Bereits aus der Vereinbarung selbst ergibt sich, dass ihr Regelungswillen auf die Beseitigung der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der tariflichen Normen gerichtet ist.

Die beklagte Arbeitgeberin ist seit vielen Jahren Mitglied in einem Arbeitgeberverband des Baugewerbes, seit dem 1. Januar 2006 als Mitglied ohne Tarifbindung (OT). Zu diesem Zeitpunkt galt der am 29. Juli 2005 zwischen dem Verband und der IG BAU vereinbarte Lohntarifvertrag (TV Lohn-West), der von der Gewerkschaft später zum 31. März 2007 gekündigt wurde. Bereits am 12. Juli 2005 hatte die Beklagte nach vorheriger Information des Betriebsrates über die wirtschaftlich angespannte Lage des Unternehmens mit vielen ihrer Arbeitnehmer – darunter auch dem Kläger – Änderungsverträge vereinbart. Danach sollte ua. ab dem 1. September 2005 nur noch der tarifliche Mindestlohn, nicht jedoch der Facharbeiterlohn gezahlt werden sowie der Anspruch auf das 13. Monatseinkommen entfallen. Der Kläger, Mitglied der IG BAU, hat auch für den Zeitraum ab dem 1. April 2007 den tariflichen Facharbeiterlohn geltend gemacht. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei den Vereinbarungen vom 12. Juli 2005 handele es sich jedenfalls für die Zeit nach dem Ende des TV Lohn-West ab dem 1. April 2007 um eine dessen Nachwirkung beendende andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG.

Die Vorinstanzen haben der Klage statt gegeben. Die Revision der Beklagten blieb ebenso wie in mehreren Parallelverfahren vor dem Vierten Senat ohne Erfolg, betont Henn.

Der Kläger kann seinen tariflichen Facharbeiterlohn weiter von der Arbeitgeberin verlangen. Der TV Lohn-West wirkt für ihn nach.

Henn empfahl, das Urteil zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.   

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