Arbeitsrechtliche Pflichten bei Notfällen
(Stuttgart) Das Hochwasser hält weiterhin Teile von Deutschland fest im Griff. Welche Pflichten treffen Arbeitnehmer bei derartigen Extremsituationen: Muss der Beschäftigte weiterhin zur Arbeit gehen, selbst wenn Haus und Hof von Wassermassen bedroht werden? Darf man der Arbeit fernbleiben, um Sandsäcke zu befüllen und Deiche zu sichern?
Die arbeitsrechtliche Lage fasst der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VdAA) zusammen.
Arbeitspflicht ist Hauptleistungspflicht im Arbeitsverhältnis
Die wichtigste Pflicht, die den Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis trifft, ist die Verpflichtung zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung. Führt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit grundlos nicht aus, darf der Arbeitgeber nicht nur das Gehalt einbehalten, sondern den Arbeitnehmer im Grundsatz auch fristlos kündigen.
„Das Fernbleiben von der Arbeit ist daher nur berechtigt, wenn besondere Gründe vorliegen: Das kann etwa eine bestehende Arbeitsunfähigkeit sein oder auch dem Arbeitnehmer gewährter Erholungsurlaub“, so Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott. „Fehle ich grundlos, riskiere ich meinen Arbeitsplatz“, warnt der Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Grundsatz: Kein Recht zum Fernbleiben bei Hochwasser
Ein „Recht zum Fernbleiben“ gibt es im Grundsatz nicht. Die Arbeitspflicht gilt auch bei Hochwasser. Das Helfen für Freunde oder das Abfüllen von Sandsäcken für den Deichbau rechtfertigt grundsätzlich kein Fernbleiben. Ausnahmen gelten nur dann, wenn der Arbeitnehmer etwa Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk (THW) oder anderen Hilfsorganisationen ist und zu einem Einsatz eingeteilt ist.
„Ist aber das eigene Hab und Gut akut vom Hochwasser betroffen, darf der Arbeitnehmer in einem solchen Notfall von der Arbeit fernbleiben, um Notmaßnahmen zu treffen“, so Arbeitsrechtler Fuhlrott: „Das Fernbleiben ist in diesem Fall gerechtfertigt, die Arbeitsleistung dem Beschäftigten nicht mehr zumutbar“.
Auch bei dieser Ausnahme gilt aber: Eine Information an den Arbeitgeber muss weiterhin unverzüglich und zeitnah erfolgen. „Im Zweifelsfall muss der Arbeitnehmer auf Aufforderung seines Arbeitgebers auch nachweisen können, dass ein solcher akuter Notfall wirklich vorlag“, erläutert der Hamburger Fachanwalt.
Ohne Tätigkeit auch keine Entlohnung
Wenn der Arbeitnehmer dann aber nicht arbeitet, erhält er auch keinen Lohn ausgezahlt: „Ohne Arbeit kein Lohn“, fasst Arbeitsrechtler Fuhlrott eine der Grundregeln des Arbeitsrechts zusammen.
Allerdings kann es hiervon eine Ausnahme gegeben: Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erhält auch derjenige seinen Lohn fortgezahlt, der für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit (…) ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“ (§ 616 Satz 1 BGB).
„Bei einer Überschwemmung meines Kellers durch ein Hochwasser wird ein solcher Fall oftmals bejaht werden“, meint Arbeitsrechtler Fuhlrott. Der Arbeitnehmer dürfe dann von seinem Arbeitgeber auch die Weiterzahlung des Gehalts verlangen, jedenfalls für den Zeitraum von ein bis zwei Tagen.
Allerdings kann sich ein vorheriger Blick in den Arbeitsvertrag lohnen: „Diese gesetzliche Regelung ist in vielen Arbeitsverträgen standardmäßig ausgeschlossen. Findet sich dort ein solcher Ausschluss, gibt es kein Gehalt“, so Fuhlrott.
Goldene Regel: Mit dem Arbeitgeber sprechen
Ein offenes Gespräch mit dem Arbeitgeber empfiehlt sich in solchen Konstellationen nach Ansicht des Arbeitsrechtsanwalts immer: „Viele Arbeitgeber werden in der derzeitigen Situation Verständnis für vom Hochwasser betroffene Mitarbeiter haben“.
In vielen Fällen lasse sich dann einverständlich eine für beide Seite gute Lösung finden: „Kurzfristig genehmigter Urlaub, die Gewährung unbezahlten Urlaubs, der Einsatz von Gleitzeitguthaben oder Arbeitszeitspenden von Kolleginnen und Kollegen sind nur einige der denkbaren Möglichkeiten“, so Fuhlrott.
Weg zur Arbeit: Wegerisiko ist Sache des Arbeitnehmers
Wie der Arbeitnehmer zur Arbeit kommt, ist überdies Sache des Arbeitnehmers. Denn dieser trägt das Wegerisiko. „Sind durch Hochwasser Straßen gesperrt oder Umwege notwendig, muss der Arbeitnehmer mehr Zeit einplanen und sich gegebenenfalls morgens früher auf den Weg machen“, so Arbeitsrechtler Fuhlrott weiter.
Ist der Weg zur Arbeit erheblich erschwert, kann sich auch hier wieder ein Gespräch mit dem Arbeitgeber anbieten, um eine Lösung zu finden: Dies kann etwa die Genehmigung von Arbeiten aus dem Homeoffice sein, wenn sich der Arbeitsplatz dafür eignet. „Ein Recht auf Arbeiten von zuhause aus hat der Arbeitnehmer aber nicht“, erläutert der Arbeitsrechtsanwalt.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Prof. Dr. Michael Fuhlrott
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