(Stuttgart) Bereits im Jahr 2019 fällte der EuGH eine Entscheidung zur Erfassung von Arbeitszeiten. Der EuGH entschied, dass es eine Pflicht zum Einrichten eines Systems zur Aufzeichnung der Arbeitszeit gibt.
Das Gericht schloss auf diese Pflicht aus § 3, 5 und 6 der Arbeitsrichtlinie in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte sowie diversen Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinien. Auf dieses Urteil ist der deutsche Gesetzgeber zunächst nicht tätig geworden, um eine Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeiten gesetzlich näher festzulegen.
- Auch nach dem BAG gibt es eine Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten
Das BAG folgte in seinem Urteil aus dem Jahr 2022 im Weiten dem EuGH und stellte eine generelle Pflicht zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten fest. Diese Pflicht leitete das Gericht aufgrund des Fehlens von spezifischeren gesetzlichen Grundlagen aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ab. Dieses Urteil stoß auf viel Kritik, weil aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG nur schwer auf eine Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeiten zu schließen lässt. Auch nach dem ArbZG ist explizit nur die Aufzeichnung der Arbeitszeit, die über die werktägliche Arbeitszeit hinaus geht, geregelt.
Das BAG legte fest, dass es zwar eine Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten gibt, Verstöße gegen das Erfassen aber nicht sanktioniert werden. Entgegen der Entscheidung des EuGH kann die Arbeitszeiterfassung auch händisch erfolgen werden und bedarf keinem digital zugänglichen System.
- Änderung des Arbeitszeitengesetz nach Entwurf des BMAS
Vor kurzem, so der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel, Leiter des Fachausschusses „Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung“ des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, legte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitengesetzes und anderer Vorschriften vor. Diese Änderungen sollen die Arbeitszeiterfassung regeln.
Laut des Referentenentwurfs des BMAS soll der Arbeitgeber dazu verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit von Arbeitnehmern zu erfassen. Die Erfassung muss dabei noch am selben Tag der Arbeitsleistung erfolgen. Damit weicht der Entwurf von der Regelung zur Arbeitszeiterfassung vom MiLoG ab. Nach diesem muss die Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit spätestens mit dem Ablauf des siebten Tages nach der Arbeitsleistung erfolgen.
Abweichend von der Entscheidung des BAG muss die Aufzeichnung der Arbeitszeit elektronisch erfolgen. Es soll nach dem Entwurf jedoch die Möglichkeit geben, hiervon durch Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen abzuweichen.
- Was bedeutet der Referentenentwurf für die Vertrauensarbeitszeit?
Besonders relevant wird die Aufzeichnungspflicht für Arbeitnehmer bei der Vertrauensarbeitszeit. Der Entwurf sieht vor, dass die Pflicht der Aufzeichnung der Arbeitszeit auch an den Arbeitnehmer weitergegeben werden kann, um den Arbeitsvertragsparteien weiterhin die Möglichkeit der Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit zu geben. Die gesetzliche Verantwortung soll trotz des Übergebens der Arbeitszeiterfassung beim Arbeitgeber bleiben.
Durch die elektronische Aufzeichnung der Arbeitszeit behalten Arbeitnehmer auch bei der Vertrauensarbeitszeit die Möglichkeit Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit zu überprüfen.
Die Gesetzliche Regelung sieht vor, dass auch Arbeitnehmer auf Verlangen eine Einsicht in die Aufzeichnung ihrer Arbeitszeiten erlangen sollen und davon auch eine Kopie anfertigen dürfen. So ist es unter anderem für Arbeitnehmer einfacher gegenüber Arbeitgebern Überstunden geltend zu machen.
Die Erfassung der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber nach dem Entwurf für mindestens zwei Jahre aufbewahren.
- Darf von den Änderungen durch den Referentenentwurf abgewichen werden?
Nach Regelungen durch Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen soll es Abweichungsmöglichkeiten vom Referentenentwurf des BMAS geben. Diese beziehen sich besonders darauf, dass es nicht notwendig ist, dass Arbeitszeiten elektronisch erfasst werden müssen und die Erfassung auch nach der zeitlichen Regelung des MiLoG erfolgen kann.
Eine Abweichungsmöglichkeit der Aufzeichnung der Arbeitszeit soll es auch für Arbeitnehmer geben, bei denen die Arbeitszeit aufgrund der Art der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen, nicht im Voraus festgelegt oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann. Das könnte insbesondere auf Führungskräfte, Wissenschaftler und besondere Experten zutreffen. Diese Arbeitnehmer sollen nach dem Entwurf selbst über Umfang und Arbeitszeit entscheiden dürfen.
- Ab wann soll die Aufzeichnungspflicht bestehen?
Die Aufzeichnungspflicht soll direkt mit Inkrafttreten des Gesetzes bestehen. Dabei soll es jedoch eine Übergangsregelung geben. Die Pflicht zur elektronischen Erfassung soll erst ein Jahr nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen bestehen, bis dahin ist auch die händische Erfassung der Arbeitszeit erlaubt. Diese Frist verlängert sich je nach Betriebsgröße. So verlängert sich die Frist bei einer Betriebsgröße von unter 250 Arbeitnehmern auf zwei Jahre und für Betriebe mit weniger als 50 Arbeitnehmern auf fünf Jahre. Direkt ausgenommen von der Pflicht Arbeitszeiten elektronisch zu erfassen sind Betriebe mit bis zu 10 Arbeitnehmern, ausländische Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland und Hausangestellte in Privathaushalten.
Verstöße gegen die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten sollen entgegen der aktuellen Rechtslage sanktionierbar sein nach der Ausweitung des ArbZG auf die Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Bereithaltungspflicht der Arbeitszeiterfassung.
Görzel empfahl, dies zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA-Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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