Keine Abführungspflicht für Trinkgelder
(Stuttgart) Deutschland kämpft mit dem Arbeitskräftemangel. Auch in der Gastronomie fehlt es an Personal, viele Restaurants können nur eingeschränkte Öffnungszeiten anbieten. Eine attraktive Bezahlung ist daher wichtig, um gutes Personal zu gewinnen. Ein wichtiger Baustein bei der Bezahlung von Servicekräfte sind dabei auch die Trinkgelder der Kunden. Diese darf das Servicepersonal grundsätzlich behalten – eine Abgabepflicht an den Wirt ist unrechtmäßig.
Die Rechtslage stellt der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott dar.
Trinkgeld: „Geschenk“ des Gastes und des Staates
Was „Trinkgeld“ ist, hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt. Danach ist Trinkgeld gem. § 107 Abs. 3 S. 2 Gewerbeordnung (GewO) „ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt“.
Das Gute zudem: Trinkgelder sind in unbegrenzter Höhe steuerfrei, der Arbeitnehmer muss nach dem Einkommenssteuergesetz (§ 3 Nr. 51 EStG) keine Abgaben auf die erhaltenen Summen entrichten.
Trinkgeld steht dem Empfänger zu
„Ist arbeitsvertraglich nichts anderes geregelt, steht das Trinkgeld dem Arbeitnehmer zu, der es erhalten hat“, erläutert Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die Rechtslage sei hier eindeutig, so der Arbeitsrechtler unter Verweis auf entsprechende Urteile der Arbeitsgerichte (u.a. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urt. v. 09.12.2010, 10 Sa 483/10). Denn der Gast gibt das Trinkgeld freiwillig und würdigt damit die Leistung der ihn bedienenden Servicekraft. Diese darf das Geld dann auch behalten, sofern der Gast nicht ausdrücklich bei dem Geben des Trinkgeldes eine andere Aufteilung gewünscht hat.
Verteilung an Kollegen möglich, nicht aber an den Chef
Regelungen, wonach Trinkgelder an den Inhaber herauszugeben sind, sind rechtlich unwirksam. „Einer entsprechenden Anweisung müsste der Mitarbeiter keine Folge leisten, selbst wenn er zuvor eine solche Regelung unterschrieben hat“, so Arbeitsrechtler Fuhlrott.
Denkbar sind aber arbeitsvertragliche Regelungen, wonach das Trinkgeld zwischen den Arbeitnehmern – z.B. Küche und Service – verteilt wird. „Üblich sind etwa Regelungen, wonach das Trinkgeld ganz oder zu Teilen in einen Topf geht und anschließend verteilt wird. Das macht Sinn, damit auch die Köchin und der Tellerwäscher einen Anteil hieran erhalten. In rechtlicher Hinsicht bedarf es dazu aber des Einverständnisses des Mitarbeiters. Einseitig können solche Regelungen nicht vorgegeben werden.“
Damit bedürfen auch solche Verteilungsregelungen innerhalb der Belegschaft der Zustimmung der Mitarbeiter. Oftmals werden derartige Regelungen daher auch direkt mit dem Arbeitsvertrag festgelegt. Spätere Änderungen und/oder Abweichungen bedürfen dann aber der Zustimmung des Mitarbeiters.
Anrechnung von Trinkgeld auf den Lohn?
Nur in Einzelfällen und unter sehr engen Grenzen werden Regelungen für zulässig angesehen, wonach das Trinkgeld auf das jeweilige Festgehalt angerechnet wird („Anrechnungsklauseln“). Hierbei darf aber insbesondere keine Verrechnung mit dem Mindestlohn und tariflicher Mindestlohn erfolgen.
Auch darf dem Servicepersonal keine Mindestvorgabe für Umsatz oder Mindestsummen von Trinkgeldern gemacht werden, die diese erwirtschaften und ggf. verteilen müssen:
„Eine Regelung, wonach bei Nicht-Erreichen einer bestimmten Trinkgeldmenge ein Teil des eigenen Lohnes abzugeben ist, ist unwirksam. Der Kellner hat keinen Einfluss darüber, ob er an spendable oder knauserige Gäste gerät. Selbst wenn ich eine solche Regelung unterschreibe, bleibt diese Regelung unwirksam. Ich bin daher nicht verpflichtet, von meinem eigenen Grundlohn etwas abzugeben“, so der Hamburger Arbeitsrechtsanwalt Fuhlrott.
Trinkgeld: Eine Frage der Fairness?
Bezüglich der innerbetrieblichen Regelungen zum Trinkgeld appelliert Arbeitsrechtler Fuhlrott überdies jenseits der rechtlichen Vorgaben für eine faire Handhabe: „Ohnehin sind Gastronomen angesichts des vielbeschworenen Arbeitskräftemangels gut beraten, hier mit ihren Mitarbeitenden faire Regelungen zu treffen. Das Trinkgeld ist für viele Beschäftigte in der Gastronomie ein wichtiger Gehaltsbaustein, der insbesondere bei Vollzeitkräften schlicht in das monatliche Budget eingeplant ist.“
Fuhlrott empfiehlt Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei arbeitsrechtlichen Fragen in diesem Kontext im Zweifel zuvor Rechtsrat einzuholen, wobei er dazu u.a. auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verweist.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Prof. Dr. Michael Fuhlrott
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht
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