Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.05.2020, AZ 4 AZR 173/19
Eine „große Station“ iSd Tätigkeitsmerkmals des TVöD/VKA liegt regelmäßig vor, wenn der Stationsleitung mehr als 12 Vollzeitkräfte fachlich unterstellt sind. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann bei einer solchen Anzahl unterstellter Beschäftigter das Tarifmerkmal „große Station“ verneint werden. Umgekehrt leitet eine Stationsleitung bei einer geringeren Anzahl unterstellter Vollzeitbeschäftigter regelmäßig keine „große Station“. Ausnahmen kommen in Betracht, wenn sich die Station ihrer Struktur nach aus anderen Gründen als „groß“ im Tarifsinn darstellt.
Die Beklagte, ein Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts, betreibt eine Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Die Klägerin ist dort als Stationsleitung der Station Soziotherapie und Schizophrenie tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD) im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Anwendung. Die Klägerin wird nach Entgeltgruppe P 12 der Anlage 1, Teil B Abschnitt XI 2 zum TVöD/VKA* vergütet. Ihr sind nach den Annahmen des Landesarbeitsgerichts nicht mehr als 12 Vollzeitbeschäftigte unterstellt. Mit ihrer Klage begehrt sie für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 eine Vergütung nach Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gibt es bei der tariflichen Unterscheidung zwischen einer Station und einer „großen Station“ keine feste Grenze einer bestimmten Anzahl von unterstellten Beschäftigten. Zwar handelt es sich regelmäßig um eine „große Station“, wenn der Stationsleitung umgerechnet mehr als 12 Vollzeitkräfte im Sinne der Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA fachlich unterstellt sind. Da Teilzeitbeschäftigte nach dieser Vorbemerkung entsprechend dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zu berücksichtigen sind, ist dies ab 12,01 Vollzeitäquivalenten der Fall. Mangels starren Grenzwerts („in der Regel“) kann bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall aber auch bei umgerechnet mehr als 12 unterstellten Vollzeitbeschäftigten das Tarifmerkmal „große Station“ verneint werden. Gleiches gilt im umgekehrten Fall: Sind einer Stationsleitung nur bis zu 12,00 Vollzeitbeschäftigte unterstellt, leitet diese regelmäßig keine „große Station“. Ausnahmen kommen im Einzelfall in Betracht, wenn sich die Station aus anderen Gründen, beispielsweise aufgrund einer hohen Anzahl unterstellter Teilzeitbeschäftigter, einer großen Anzahl von zu pflegenden Patienten oder aufgrund der räumlichen Lage und Größe als „groß“ im Tarifsinn darstellt.
Der Senat konnte mangels hinreichender Feststellungen zu den tatsächlichen Gegebenheiten in der Klinik der Beklagten nicht selbst entscheiden, ob die Station trotz Unterstellung von nicht mehr als 12 Vollzeitbeschäftigten aufgrund anderer Umstände ausnahmsweise als große Station im Tarifsinn anzusehen ist. Darüber hinaus steht noch nicht fest, ob die Klägerin bei der von ihr auszuübenden Tätigkeit ein höheres Maß von Verantwortlichkeit iSd. Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA trägt. Dies führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
Weitere Informationen: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/re…