(Stuttgart) Es ging breit durch die Presse: im letzten Jahr hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer spektakulären Entscheidung die nationalen Gesetzgeber verpflichtet, alle Arbeitgeber zur Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu veranlassen.
Die praktischen Auswirkungen dieses EuGH-Urteils sind sehr umstritten. Einige Juristen gingen von einer unmittelbaren Wirkung des EuGH-Urteils auf das deutsche Recht aus. Andere reagierten eher gelassen und sahen zunächst den deutschen Gesetzgeber in der Pflicht.
Das Arbeitsgericht Emden (Urteil vom 20. Februar 2020 – 2 Ca 94/19) hat sich jetzt – erkennbar als erstes Arbeitsgericht – in diesem Meinungsstreit positioniert, so der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter „Bremen“ des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart.
Der Kläger hatte seinen ehemaligen Arbeitgeber nach einer nur kurzen Beschäftigungszeit unter anderem auf vermeintlich noch ausstehende Vergütung in Anspruch genommen. Er behauptete, er habe insgesamt 195,05 Stunden gearbeitet. Der Kläger hatte hinsichtlich der behaupteten Stunden eigene, handschriftliche Aufzeichnungen angefertigt. Der Arbeitgeber bestritt den zeitlichen Umfang der vom Kläger behaupteten Arbeitsleistungen und verwies zum Nachweis auf das Bautagebuch, mit dessen Hilfe die Stundenerfassung bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende erfolgt sei. Hieraus ergebe sich eine tatsächliche zu entlohnende Stundenanzahl von 183 Stunden.
Das Arbeitsgericht Emden gab der Klage statt. Zur Begründung verwies das Gericht auf die im Vergütungsprozess bestehende abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer müsse demnach zunächst vortragen und darlegen, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten habe. Danach obliege es dem Arbeitgeber, sich seinerseits substantiiert zum Vortrag des Arbeitnehmers zu erklären und darzulegen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen habe und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – ggf. nicht – nachgekommen sei. Lasse sich der Arbeitgeber hierauf nicht substantiiert ein, so gelte der Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Der Kläger habe die ihn treffende Darlegungslast mit der Vorlage der Eigenaufzeichnungen erfüllt. Das von dem Beklagten angeführte Bautagebuch sei ungeeignet, zu belegen, welche Arbeiten der Beklagte dem Kläger zugewiesen habe und an welchen Tagen dieser diesen Weisungen nachgekommen sei oder nicht. Etwaige notwendige Anfahrts- und Rüstzeiten, die auch arbeitsvertragliche Arbeitszeiten seien, seien etwa im Bautagebuch nicht aufgezeichnet.
Danach habe der Beklagte gegen die ihn gemäß Art. 31 Abs. 2 GrCh bestehende Verpflichtung zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit des Klägers verstoßen. Daher habe er auch keine objektiven und verlässlichen Daten vorlegen können, anhand derer sich die Arbeitszeiten des Klägers nachvollziehen lassen würden. Dies führe dazu, dass der Arbeitnehmer für die seinerseits vorgetragene Arbeitszeit vergütet werden muss.
Nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden ist Art. 31 Abs. 2 GRCh unmittelbar anzuwenden. Setzt sich diese Auffassung durch, sind Arbeitgeber bereits jetzt verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit zu betreiben. Wird dies unterlassen, kann die Vorlage von Eigenaufzeichnungen des Arbeitnehmers genügen, um einen Anspruch auf Abgeltung von Überstunden zu begründen.
Franzen empfahl, dies zu beachten und riet bei Fragen Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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