(Stuttgart) Mehrere Millionen Arbeitnehmer sind weiterhin in Kurzarbeit. Bei vollständiger Kurzarbeit erleiden Arbeitnehmer erhebliche Gehaltseinbußen, da sie nur 60 bzw. – mit Kindern – 67% des bisherigen Nettoentgelts erhalten. Dieser Betrag soll nun auf 70 bzw. 77% aufgestockt werden, nach Kurzarbeit von sieben Monaten sogar auf 80 bzw. 87%.
Einen Überblick über die beabsichtigte Anpassung und weitere damit verbundene Änderungen gibt der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott.
Finanzielle Folgen von Kurzarbeit
Kurzarbeit kann von Unternehmen beantragt werden, die einen erheblichen, aber nur vorübergehenden Arbeitsausfall zu verzeichnen haben. Wenn mindestens 10% der Arbeitnehmer im Betrieb von einem unabwendbaren Arbeitsausfall betroffen sind und keine zumutbaren anderen Möglichkeiten der Beschäftigung gegeben sind, kann ein Unternehmen für seine Mitarbeiter Kurzarbeit beantragen. Die gesetzlichen Grundlagen dazu finden sich im Sozialgesetzbuch III (§§ 95 ff. SGB III).
Der an den Arbeitnehmer bei Kurzarbeit zu zahlende Lohn reduziert sich dann im gleichen Verhältnis wie die ausfallende Arbeitszeit. Wer also gar nicht mehr arbeitet, sich in sog. „Kurzarbeit 0“ befindet, erhält vom Arbeitgeber gar keine Zahlungen mehr. Die Agentur für Arbeit kompensiert den ausgefallenen Lohn und erstattet hierfür 60 bzw. – bei mindestens einem Kind im Haushalt – 67% des pauschalierten Netto-Entgelts, gedeckelt auf die Beitragsbemessungsgrenze. „Diese Höhe gibt es auch beim Arbeitslosengeld, das in gleicher Höhe gezahlt wird“, so Fuhlrott. „So wird ein finanzieller Gleichlauf zwischen Kurzarbeit und Arbeitslosengeld gewährt.“
Aufstockungsleistungen durch Arbeitgeber
Aufstockungszahlungen sind als freiwillige Leistung von Unternehmen möglich. „Manche Arbeitgeber stocken diese Differenz auch teilweise oder vollständig auf, so dass der Arbeitnehmer faktisch keine Lohneinbuße mehr erleidet. Allerdings sind viele Unternehmen hierzu in der derzeitigen Situation auch gar nicht finanziell in der Lage“, weiß Fuhlrott.
Hält die Kurzarbeit nun über einen längeren Zeitraum an und erhält keine Aufstockungszahlungen, verbleibt beim Arbeitnehmer eine erhebliche monatliche Differenz. Der Koalitionsausschuss hat dazu nunmehr mitgeteilt, den Forderungen der Gewerkschaften nachzukommen und das Kurzarbeitergeld anzuheben.
Geplante Erhöhung des Kurzarbeitergelds
Nach den aktuellen Plänen der Sitzung des Koalitionsausschusses in der Nacht vom 22. Auf den 23. April 2020 soll das Kurzarbeitergeld daher nun für Arbeitnehmer aufgestockt werden. Arbeitnehmer, die nur noch die Hälfte oder weniger ihrer bisherigen Arbeitszeit arbeiten und damit entsprechende Lohneinbußen haben, sollen in den Genuss eines erhöhten Kurzarbeitergeldes kommen. Für diese Gruppe von Arbeitnehmern soll das Kurzarbeitergeld ab dem vierten Bezugsmonat auf 70 % (bzw. mit Kind: 77%) und ab dem siebten Bezugsmonat auf 80 % (bzw. mit Kind: 87%) erhöht werden. Die Regelung soll bis Jahresende gelten.
„Die Bundesregierung greift damit eine Forderung auf, die die Gewerkschaften bereits im März gefordert haben. Diese hatten eine Erhöhung auf 80 bzw. 87% gefordert, die für alle Arbeitnehmer in Kurzarbeit gelten sollte. Die Lösung ist allerdings ein Kompromiss, da es durchaus kritische Stimmen dazu gab. Denn das Arbeitslosengeld wird nicht erhöht“, so Fuhlrott. „Auch die zeitliche Staffelung der Erhöhung zunächst auf 70 und dann erst 80 % ist weniger als das, was die Gewerkschaften gefordert haben“, so Fuhlrott.
„Sichergestellt werden müsste hierbei aber ebenfalls, dass Arbeitgeber, die bereits bisher freiwillige Aufstockungsleistungen gewähren, von der gesetzlichen Erhöhung profitieren und diese auf die eigenen Zahlungen angerechnet wird“, meint Fuhlrott.
Auswirkungen auf andere Entschädigungsansprüche
Die durch den Koalitionsausschuss beschlossenen Änderungen bedürfen zunächst noch einer gesetzlichen Umsetzung. Die Höhe des Kurzarbeitergelds ist in § 105 Sozialgesetzbuch III (SGB III) geregelt. Dieser müsste damit zunächst geändert werden.
„Fragen dürften sich dann auch hinsichtlich anderer Entschädigungs- bzw. Ausgleichszahlungen an Arbeitnehmer stellen“, meint Fuhlrott. „Für Eltern, die aufgrund Schul- oder Kitaschließung ihre betreuungspflichtigen Kinder zuhause betreuen müssen und aus diesem Grund nicht arbeiten können, wurde vor einigen Wochen eine neu geschaffene Entschädigungsregelung geschaffen. Diese können gem. § 56 Abs. 1 a Infektionsschutzgesetz für die Dauer von sechs Wochen eine staatliche Entschädigung erhalten. Diese ist aber zum einen auf 67 % des bisherigen Entgelts und zum anderen absolut auf 2.016,- EUR / Monat begrenzt. Hier dürfte es dann ebenfalls Forderungen nach einer entsprechenden Anpassung in der Höhe und zeitlichen Verlängerung des Anspruchs geben, wenn Notbetreuungen nicht gewährleistet werden“, so Fuhlrott.
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