Rechtlich betrachtet, so erläutert der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Frhr. Fenimore von Bredow, Leiter des Fachausschusses „Besondere Arten von Arbeitsverhältnissen“ des VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, stellt die einseitige Änderung einzelner Arbeitsbedingungen eine sog. Teilkündigung dar, die nach ständiger Rechtsprechung unzulässig ist.
Denn durch die nachträgliche einseitige Veränderung des vertraglich einmal genau festgelegten Verhältnisses von Leistung (Arbeit) und Gegenleistung (Gehalt) werden allgemeine Vertragsrechtsgrundsätze über den Haufen geworfen und im Bereich des Arbeitsrechts wichtige Arbeitnehmerschutzvorschriften umgangen. Solche nachträglichen Änderungen können daher entweder nur einvernehmlich mit Einverständnis des Arbeitnehmers oder im Wege der sog. Änderungskündigung erfolgen. Fehlt es am Einvernehmen bleibt nur der schwierige Weg der Änderungskündigung: Hiergegen können Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz jedoch beim Arbeitsgericht klagen und der Arbeitgeber muss dem Arbeitsgericht haarklein erläutern, weshalb die Gehaltskürzung aus dringenden betrieblichen Gründen erforderlich war.
Viele Arbeitgeber haben daher eine dritte, „elegantere“ Möglichkeit der Änderung gewählt. Sie schließen Arbeitsverträge so ab, dass bestimmte nachträgliche Änderungen von vorneherein für zulässig erklärt werden. So findet sich in Arbeitsverträgen häufig ein Passus, wonach bestimmte Gehaltsbestandteile wie z.B. das Weihnachts- oder Urlaubsgeld freiwillige Zahlungen sein sollen, auf die der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch habe und die jederzeit widerrufbar sein können. Die Aufnahme dieser Änderungsvorbehalte in den Arbeitsvertrag ist grundsätzlich möglich – beide Vertragsparteien wissen dann, was auf sie zu kommen kann.
Allerdings ist zu unterscheiden: Vorformulierte Arbeitsverträge, die seit dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden und die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen verwendet, unterliegen grundsätzlich dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und müssen sich nach diesen Regeln richten. Das bedeutet, dass nur Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld als echte „freiwillige“ Zahlung geleistet werden dürfen. Laufende Zahlungen dagegen, also etwa das normale Gehalt, kann nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden. Dafür dürfen laufende Zahlungen (z.B. Zuschläge) unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt werden, wenn bestimmte, vorher im Arbeitsvertrag schriftlich definierte Gründe vorliegen. Ferner darf der Widerruf höchstens 25% bis max. 30% der Gesamtvergütung ausmachen und dem Mitarbeiter muss mindestens die tarifliche bzw. die übliche Vergütung verbleiben.
Sind im Arbeitsvertrag beide Vorbehalte miteinander kombiniert (etwa: „Die Zahlung des Weihnachtgeldes erfolgt freiwillig und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs.“), so ist diese Klausel nach dem AGB-Recht unklar: Nach der Rechtsprechung des BAG kann eine Zahlung entweder freiwillig erfolgen – dann besteht grundsätzlich kein Anspruch auf sie – oder aber sie kann widerrufen werden – hierdurch wird ein einmal entstandener Anspruch nachträglich beseitigt. Beides zugleich ist nach gefestigter Rechtsprechung des BAG in sich widersprüchlich. Unklare, widersprüchliche Regelungen sind nach AGB-Recht unwirksam, mit der Folge, dass diese Klausel dann gar nicht gilt und der Mitarbeiter die Zahlung beanspruchen kann.
Was aber gilt für Arbeitsverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden? Hierüber hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Fall zu entscheiden (BAG Urt. v. 11.02.2009 – 10 AZR 222/08). Eine Arbeitnehmerin war 1995 eingestellt worden. In ihrem Arbeitsvertrag waren lediglich die Arbeitszeit und die Grundvergütung geregelt. Alle weiteren Regelungen, z.B. Probezeit, Urlaub, Lohnzuschläge und Weihnachtsgeld, waren in einer gesonderten Arbeits- und Sozialordnung geregelt, die laut Arbeitsvertrag „in ihrer jeweils gültigen Fassung“ gelten sollte. Der Arbeitgeber nutzte im Jahr 2005 diese Klausel u.a. dazu, in der Arbeits- und Sozialordnung einseitig die Mehrarbeits- und Feiertagszuschläge zu streichen und die Zahlung des Weihnachtsgeldes fortan unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen. Die Arbeitnehmerin klagte nun die ausgebliebene Zahlung des Weihnachtsgeldes ein.
Das BAG gab ihr letztlich Recht. In der Arbeits- und Sozialordnung erkannte das BAG vom Arbeitgeber vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Obwohl Arbeitsverträge erst seit der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 dem AGB-Recht unterworfen sind, sind diese Regeln laut BAG auch auf die sog. Altverträge anzuwenden, allerdings erst seit dem 01.01.2003. Das BAG sah es für die Arbeitnehmerin als unzumutbar an, dass sich der Arbeitgeber vorbehalten hatte, nahezu sämtliche wesentliche Regelungen des Arbeitsverhältnisses einseitig zu ändern, zumal der Arbeitgeber auch keinerlei Voraussetzungen dafür genannt hatte, die ihn zur Änderung berechtigen sollten. Damit war der Änderungsvorbehalt insgesamt unwirksam, auch in Bezug auf die in 2005 geänderten Regelungen.
Ausnahmsweise kann bei „Altverträgen“ auch eine sog. ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommen. Es ist in der Rechtsprechung des BAG anerkannt, dass in solchen Altfällen Vertragsklauseln, die nach AGB-Recht unwirksam sind, nicht immer automatisch ersatzlos wegfallen.
Eine durch den Wegfall der unwirksamen Klausel entstandene Lücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, wenn keine gesetzliche Regelung für den betreffenden Regelungssachverhalt vorgesehen ist und ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen beider Parteien gerecht werdende Lösung bieten würde und sich das Festhalten am Vertrag ohne die unwirksame Klausel für den Arbeitgeber als unzumutbare Härte darstellt.
Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung versuchen die Gerichte anstelle der unwirksamen Klausel eine Regelung zu finden, von der anzunehmen ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sie so vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bereits damals bekannt gewesen wäre.
Die Gerichte prüfen aber vor einer ergänzenden Vertragsauslegung immer auch, ob der Arbeitgeber innerhalb der vom Gesetzgeber eingeräumten Übergangsfrist bis zum 01.01.2003 versucht hat, mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Änderung der unwirksamen Klausel zu erzielen. Ist das – wie hier – nicht der Fall, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus. Im übrigen muss es eine Möglichkeit geben, die strittigen Klauseln klar, verständlich, widerspruchsfrei, transparent und angemessen anzupassen. Für den vorliegenden Fall verneinte das BAG dies, weil der vom Arbeitgeber gewählte Änderungsvorbehalt von vorne herein viel zu weit gefasst war.
Hinweis für Arbeitgeber:
Das BAG hatte eine ergänzende Vertragsauslegung in einer Entscheidung vom 12.01.2005 (5 AZR 364/04) für zulässig erachtet. In dem dort entschiedenen Fall bestand der einzige Fehler in einem vor dem 01.01.2002 vereinbarten Widerrufsvorbehalt darin, dass die einzelnen Widerrufsgründe im Arbeitsvertrag nicht näher beschrieben waren. Das BAG verwies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück zur ergänzenden Vertragsauslegung, ohne dass es darauf einging, ob der Arbeitgeber zuvor versucht habe, mit dem Arbeitnehmer eine Vertragsanpassung vorzunehmen. Möglicherweise wird aber auch in einem solch „einfachen“ Fall künftig von den Gerichten geprüft werden, ob eine solche Vertragsanpassung wenigstens versucht worden ist. Arbeitgebern ist daher zu raten, aus Gründen der Vorsorge jetzt noch zu versuchen, mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Änderung der Vorbehaltsklausel zu erzielen.
Von Bredow empfahl, bei aufkommenden Fragen dazu Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Frhr. Fenimore von Bredow
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Leiter des VdAA Fachausschusses
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