(Stuttgart) Bei grenzüberschreitenden Insolvenzen innerhalb der Europäischen Union kann nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 (EuInsVO) in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (center of main interests/COMI), das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet werden.

In diesem Fall gilt bis zur Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks grundsätzlich das Recht des Staates, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Art. 10 EuInsVO macht davon für Arbeitsverhältnisse eine Ausnahme. Danach gilt für diese „ausschließlich“ das Recht des Mitgliedstaats, das nach dem internationalen Privatrecht auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist. Diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass bei Anwendbarkeit des deutschen Arbeitsrechts auch ein Administrator nach englischem Recht als Insolvenzverwalter iSd. § 125 InsO anzusehen ist und daher einen Interessenausgleich mit Namensliste abschließen kann, dem die Wirkungen des § 125 InsO zukommen.

Darauf verweist der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident des VDAA  – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20.09.2012 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az.: 6 AZR 253/11.

Der Kläger war seit 1991 bei der Beklagten, die zu einer weltweit agierenden Unternehmensgruppe gehört, als Manager Business Finance beschäftigt. Im Januar 2009 leiteten weltweit verschiedene Gesellschaften dieser Unternehmensgruppe Insolvenzverfahren ein. Am 14. Januar 2009 eröffnete der High Court of Justice das Administrationsverfahren als Hauptinsolvenzverfahren iSd. EuInsVO über das Vermögen der Beklagten und bestellte drei Administratoren, die einzeln oder gemeinschaftlich tätig werden konnten. Nach englischem Recht vertreten diese die Gesellschaft, treten also anders als ein deutscher Insolvenzverwalter nicht in die Arbeitgeberstellung ein. Sie haben ua. die Befugnis, Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Am 27. Juli 2009 kam für die Beklagte, die dabei von einem der drei Administratoren vertreten wurde, ein Interessenausgleich mit Namensliste zustande. Der Kläger war auf der Namensliste aufgeführt. Sein Arbeitsverhältnis wurde zum 30. November 2009 gekündigt. Mit seiner Kündigungsschutzklage macht der Kläger ua. geltend, der Administrator habe keinen Interessenausgleich gem. § 125 InsO vereinbaren können; nach deutschem Recht könne dies nur ein Insolvenzverwalter iSd. InsO.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg, so Klarmann.

Im Geltungsbereich der EuInsVO ist ein Administrator, der in der vom englischen Insolvenzrecht vorgesehenen Weise für den Schuldner handelt, auch befugt, einen Interessenausgleich nach § 125 InsO abzuschließen. Nur mit dieser Auslegung lassen sich effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren, wie sie Zweck der EuInsVO sind, sicherstellen.

Klarmann empfahl, dies beachten sowie in Zweifelsfällen um Rechtsrat nachzusuchen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.    

 

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