(Stuttgart) Die Parteien eines Tarifvertrages können Streitigkeiten über den Bestand und die Auslegung des von ihnen vereinbarten Tarifvertrages nach § 9 TVG mit Bindungswirkung für alle Gerichte entscheiden lassen.
Diese über § 325 ZPO hinausgehende Wirkung setzt voraus, dass die Anträge sich auf die abstrakte und fallübergreifende Auslegung einer Tarifnorm beziehen. Das konkrete Verhalten eines tarifgebundenen Arbeitgebers kann damit auch dann nicht zum Streitgegenstand einer Klage nach § 9 TVG gemacht werden, wenn dem Streit ein unterschiedliches Verständnis von Tarifnormen zugrunde liegt.
Darauf verweist der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident des VDAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18.04.2012 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az.: 4 AZR 371/10.
Die klagenden Gewerkschaften sind Parteien eines Haustarifvertrages mit dem Bayerischen Rundfunk, in dem auch eine Vergütungsordnung enthalten ist, nach der der Arbeitgeber die Mitarbeiter eingruppiert. Der Arbeitgeber besetzt Führungspositionen in der Regel nur auf Zeit. Dabei wird die Eingruppierung der berücksichtigten Arbeitnehmer für die Dauer der Übertragung nicht geändert, sondern ein Zuschlag in entsprechender Höhe gezahlt. Die klagenden Gewerkschaften halten dies für tarifwidrig und haben gegen den Arbeitgeber Klage erhoben. In den Vorinstanzen waren die Anträge auf Verurteilung der Arbeitgeberin zu entsprechenden Eingruppierung, hilfsweise auf Feststellung der Unzulässigkeit der Praxis des Arbeitgebers gerichtet. Die Klagen wurden abgewiesen. In der Revisionsinstanz ging es noch um die bisherigen Hilfsanträge der klagenden Gewerkschaften. Nach ihnen sollte festgestellt werden, dass es nicht zulässig sei, die jeweiligen Mitglieder der Klägerinnen in den bisherigen Eingruppierungen zu belassen und bei einer Übertragung der Führungspositionen die Vergütungsdifferenz als Funktionszulagen zu zahlen; ferner, dass es nicht zulässig sei, die genannten Führungspositionen befristet zu übertragen.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Anträge als unzulässig angesehen, so Klarmann.
Das konkrete Verhalten der beklagten Rundfunkanstalt im Verhältnis zu Dritten, hier in den einzelnen Arbeitsverhältnissen, kann nicht im Wege einer Klage nach § 9 TVG beanstandet werden. Die „Unzulässigkeit“ der Tarifpraxis eines tarifgebundenen Arbeitgebers ist kein mit einer solchen Klage feststellbares Rechtsverhältnis. Den Gerichten für Arbeitssachen ist es auch versagt, anstelle der klagenden Koalition von sich aus eine Auslegungsfrage . oder mehrere – selbst zu formulieren, die dem Streit der Parteien – möglicherweise – zu Grunde liegt.
Klarmann empfahl, dies beachten sowie in Zweifelsfällen um Rechtsrat nachzusuchen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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