(Stuttgart) Nach einer am 27.03.2009 veröffentlichten Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist die Bezeichnung der Zustände im Betrieb als „schlimmer als in einem KZ“ grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen. Bei einem einmaligen Vorfall nach 35jähriger Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung und einem Alter von Mitte 50 sowie glaubhafter Entschuldigung könne jedoch die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen, mit der Folge der Unwirksamkeit der Kündigung. (LAG Hessen AZ.: – 8 TaBV 10/08).

Darauf verweist der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident des VdAA – Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf die  soeben bekannt gewordene Entscheidung.

In dem ausgeurteilten Fall arbeitete ein Mitte 50 Jahre alter Mitarbeiter seit mehr als 35 Jahren in einem größeren Unternehmen. Er war anerkannter Schwerbehinderter und Mitglied des Betriebsrats. Im Sommer 2007 kam es in dem Betrieb zu einem Gespräch dieses Mitarbeiters mit zwei Betriebsmeistern. Der Arbeitgeber behauptete, das Betriebsratsmitglied habe die ihm vorgesetzten Betriebsmeister darauf hingewiesen, dass er fürchterliche Schmerzen in der Schulter habe. Als einer der Betriebsmeister nach den Ursachen gefragt habe, hätte der Mitarbeiter erwidert: „Meinst du weil ich darauf schlafe? Die Arbeit hier ist menschenunwürdig und laut Betriebsverfassungsgesetz ist das verboten.“ Daraufhin habe einer der Meister gemeint, man müsse nicht gleich mit Gesetzen anfangen, sondern könne auch so eine Lösung finden und das Ganze später klären. Der Mitarbeiter habe dann lautstark erklärt: „Das sind Arbeitsbedingungen wie im Konzentrationslager“.

Der Arbeitgeber beantragte aufgrund dieses Vorfalls die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Betriebsratsmitglieds, weil er meinte, der Mitarbeiter habe eine grobe Beleidigung ausgesprochen. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung mit der Begründung, der Mitarbeiter habe nur an den Meistern vorbeigehend vor sich hinmurmelnd den Begriff „KZ“ verwandt. Dabei habe es sich um eine spontane Unmutsäußerung, die ein Synonym für unangenehme und unwürdige Zustände sei, gehandelt. Zu berücksichtigen sei, dass der Mitarbeiter in einer körperlichen Stresssituation gewesen sei und starke Schmerzen gehabt habe, was Folge der immensen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Maschine gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Arbeitgebers blieb nun ebenfalls ohne Erfolg, so betont Klarmann.

Zwar stand nach Durchführung einer Beweisaufnahme fest, dass der Mitarbeiter sinngemäß zu den Betriebsmeistern sagt habe, die Zustände im Betrieb seien schlimmer als in einem Konzentrationslager. Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts stelle eine derartige Äußerungen in der Tat eine schwerwiegende Verletzung der Ehre der für den Betrieb und den konkreten Arbeitsplatz Verantwortlichen dar. Der Vergleich eines Betriebes mit einem Konzentrationslager müssten die dort als Vorgesetzte arbeitenden als Gleichsetzung mit SS-Schergen und menschenverachtenden Unmenschen verstehen. Eine solche schwere Beleidigung könne auch nicht als überspitzte und polemische Kritik gewertet werden und sei keinesfalls durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Daran änderten auch die von dem Mitarbeiter behaupteten Umständen nichts. Auch erschwerten Arbeitsbedingungen, die dadurch ausgelöste Schmerzen und Stress könnten eine solche außergewöhnliche Schmähung nicht rechtfertigen. Eine derart schwerwiegende Ehrverletzung gegenüber den Repräsentanten der Arbeitgeberin beeinträchtige auch konkret das Arbeitsverhältnis zu dem Mitarbeiter.

Allerdings sah das Beschwerdegericht unter Abwägung der Interessen der Arbeitgeberin und des zu kündigenden Mitarbeiters im konkreten Einzelfalle eine außerordentliche Kündigung als nicht gerechtfertigt an, was Voraussetzung für die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats gewesen wäre.

Zwar habe der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, von einem Arbeitnehmer nicht beleidigt zu werden und müsse seine Repräsentanten vor Beleidigungen schützen. Er sei berechtigt und auch verpflichtet, darauf zu achten, dass in dem Betrieb zwischen Mitarbeitern keine Schmähungen ausgetauscht werden, insbesondere nicht solche, die Bezug auf Politik, Nationalität und Nationalgeschichte haben. Auf Seiten des Mitarbeiters müsse jedoch berücksichtigt werden, dass es sich um eine einmalige Verfehlung dieser Art in einer 35-jährigen Betriebszugehörigkeit gehandelt und er auch von Anfang an klargemacht habe, dass er eine derartige Äußerung bedauere und sich für sie entschuldige. Nachdem die Beschwerdekammer auch den Eindruck gewonnen hatte, dass dem Mitarbeiter seine Äußerung sehr leid tue und er nicht vorhatte, Personen zu beleidigen, kam sie unter Berücksichtigung des Lebensalters und den sozialen Belangen des Mitarbeiters zu der Überzeugung, dass in diesem Einzelfall seine  Interessen des am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber den der Arbeitgeberin an dessen Beendigung überwiegen.

Klarmann empfahl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern, dieses Urteil  zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.   

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